Mein RTW Ticket hatte ich nach Sydney gebucht, der eigentliche Beginn der Reise an der australischen Ostküste sollte allerdings in Cairns, weit oben im Norden sein. Daher hatte ich einen Anschlussflug für den Folgemorgen gebucht und wollte die Nacht nach meinem spät abends ankommenden Flug in Sydney am Flughafen verbringen. In jeder anderen Metropole wäre dies wohl auch problemlos Möglich gewesen- nicht jedoch in dieser! Man mag es kaum glauben- ich jedenfalls konnte es nicht- der Flughafen einer Fünfmillionenstadt hat eine Sperrstunde und schließt zwischen 1 und 4 Uhr morgens das komplette Terminal! Anstatt also irgendwo an einem einsamen Gate rumzulümmeln musste ich daher die Nacht in einer winzigen waiting area verbringen wo es laut, hell und voll war. Ich hatte es mir auf zwei Sesseln noch verhältnismäßig bequem gemacht, so dass die Nacht dann wiederum besser als erwartet war, allerdings kam ich nicht umhin zu bemerken, dass dies als Einstieg in die Australien Zeit doch schon etwas holprig war…
Etwas geschafft kam ich in Cairns an, wo ich mich in ein Hostel mit dem Namen Asylum eingebucht hatte. Zwar wurde ich nicht fähnchenschwenkend am Bahnhof empfangen, aber immerhin gab es einen kostenlosen Shuttelservice…
Cairns ist so etwas wie der Gateway zur Ostküste und unzählige Backpacker beginnen oder beenden ihre East Coast Reise hier. Daher gibt es etwa 20 Hostels und die ganze Infrastruktur ist auf Backpacker ausgerichtet. Cairns selber hat nach üblichen Maßstäben als Stadt nicht das Geringste zu bieten. Ein charakterloses Gitternetz aus Straßen, im Zentrum ein paar Geschäfte, Bars und Clubs und einen Hafen. Obwohl am Meer gelegen gibt es keinen Strand sondern nur ein Mangroven-Watt und das Highlight im Sinne ‚Spaß mit Wasser‘ ist die „Lagune“, ein öffentliches Schwimmbad, welches durchaus hübsch und kostenlos ist. Das war’s dann aber auch. Das eigentliche Potential der Stadt liegt im Umland: Daintree Forest im Norden, Atherton Tablelands im südlichen Hinterland und natürlich das Great Barrier Reef. Alles drei habe ich auch besucht- aber der Reihe nach!
Da auf den Cook Inseln der Zugang zum Internet ein echtes Problem war, hatte ich beschlossen, hier in Cairns erst mal alles ein wenig zu sortieren und den weiteren Verlauf der Reise zu organisieren! Unter anderem auch, was die Frage betraf, ob ich mit dem Bus die Küste runter fahren würde, oder gar Leute mit einem Auto finden würde, die ähnliche Reisepläne hätten wie ich. Das Asylum Hostel bot dafür eine entspannte Heimatbasis, war auf eine charmante Art und Weise schräg, und ich traf dort einige nette Leute.
Im Vorfeld hatte ich zum Thema „Reisen an der australischen Ostküste“ immer was von „Touren“ gehört, die man buchen müsse. Jeder nahm das Wort wie selbstverständlich in den Mund und beschwerte sich beiläufig über den Kostenfaktor und organisatorischen Druck, doch erst hier vor Ort wurde mir die Tragweite dieser Schilderungen wirklich klar! Nahm ich vorher noch an, man würde sich einfach die Küste runter treiben lassen und schöne Dinge „entdecken“ können, wurde ich bald eines Besseren belehrt! Backpacken an der Ostküste ist eine Massenveranstaltung, und vor allem eine gut geölte, hoch profitable Tourismus-Maschinerie! Denkt man vorher noch „Mensch, die armen Aussies- haben Horden von deutschen Abiturienten an der Backe“, so wird einem im Laufe der Zeit klar: die haben dieses Szenario perfekt zu ihren Gunsten genutzt- aber dazu später mehr!
In Cairns gibt es etwa 20 Hostels, und täglich treffen neue Backpacker ein, die hier ihre Reise beginnen. Die meisten von Ihnen machen ein Jahr ‚Work and Travel‘, nur vergleichsweise wenige sind -so wie ich- nur für zwei-drei Monate hier, oder gar auf Weltreise. Hier an der Ostküste haben alle mehr oder weniger die gleichen Pläne: entweder rauf oder runter, die berühmten Sachen angucken und irgendwo arbeiten. Das wissen eben auch die Aussies. Deshalb gibt es in Cairns mindestens so viele Reisebüros wie Hostels. Reisebüro… Moment- macht man das nicht heute alles übers Internet? Okay- ein echtes Reisebüro kann nützlich sein um ‘nen Trip mit komplizierten Verbindungen am anderen Ende der Welt zu buchen- vor allem, wenn man der Landessprache nicht mächtig ist- aber für ‘nen Schnorchelausflug oder ein Busticket? Mir schwante böses!
Wie bei vorherigen Reiseabschnitten auch, hatte ich vor, weitestgehend flexibel zu bleiben. Erst mal gucken, mit Leuten reden, rausfinden was sich lohnt und wie man das dann am besten und günstigsten macht. So wenig verbindliche Planung wie möglich- schließlich ist man auf Weltreise und will die Freiheit haben, dort zu sein wo’s gefällt. Allerdings steht dieser Ansatz diametral entgegen dem, was die Horden von Reisebüroangestellten für einen vorgesehen haben! Erklärtes Ziel eines jeden, auf Provisionsbasis im Reisebüro arbeitenden Backpackers ist nämlich, dass man den Laden erst wieder verlässt, wenn man ein ‚komplettes East Coast Paket‘ für runde zweieinhalbtausend Dollar gebucht und bezahlt hat- und zwar unabhängig davon, unter welcher Prämisse man das Reisebüro überhaupt betreten hat. „Nee kein Problem wenn du flexibel bleiben willst- geht auch alles open-date…“ Hauptsache halt man hat schon mal gelöhnt. Das Konzept „Preisauskunft“ ist nicht vorgesehen- mehr noch, der Ton wird dann sehr schnell schroff und vorwurfsvoll! Mal ein paar Infos mitnehmen? Nur unter Protest! Auch wenn ich ja sonst gerne für den Erhalt des Einzelhandels bin- diese ganze Bande wünschte ich mir schwitzend auf die Bananenplantage und ersetzt durch ein aufgeräumtes Online-Portal. Doch das ist nicht im Sinne des Erfinders! Man muss schon irgendwo auch eine gewisse Anerkennung empfinden, mit welcher Perfektion die Backpacker hier gemolken werden: Die Retail-Preise, die man auf Broschüren und auf der Internetseite der Veranstalter findet, sind phantasievoll hoch angesetzt- der Weg, das Reisebüro als Mitverdiener zu überspringen führt damit auf jeden Fall schon mal ins Leere. Die Reisebüros werben mit tollen Rabatten, wenn man alles bei ihnen bucht, und auch dann ist die Preispolitik völlig undurchsichtig und schlecht vergleichbar. Eine absolut gängige Antwort von Reisenden die ich traf auf die Frage, wie viel sie denn für ein bestimmtes Event gezahlt hätten war. „ du – keine Ahnung… ich hab da ja so’n Paket gebucht… da gab’s dann Rabatt…“ Jeder von denen hatte einen mehr oder weniger strammen Zeitplan- heute hier morgen dort!
Ich beschloss, mir meine Flexibilität nicht nehmen zu lassen, selbst wenn ich dafür am Ende womöglich draufzahlen würde, aber allein schon aus Protest gegen das System buchte ich also alles nach Bedarf.
Ich werde jetzt nicht zu jedem Posten auf die Preisgestaltung eingehen- halten wir einfach fest: das meiste war heillos überteuert, oder um einen treffenden englischen Begriff zu verwenden: ridiculously overpriced! Wie immer, wenn die Schwelle überschritten ist, ab der man sich als Tourist wie Melkvieh fühlt, hinterlässt dies einen unvermeidbaren schalen Beigeschmack, so schön die Reise auch sein mag.
Die erste Tour, die ich mit einem Buddy aus dem Hostel buchte, war ein Schnorcheltrip raus auf Great Barrier Reef. Dieses, regelmäßig totgesagte und auch grade wieder frisch dem endgültigen Untergang geweihte Weltnaturerbe ist von Cairns aus super zu erreichen, und war freilich eine absolute must-do Attraktion! Schnorcheln am Great Barrier Reef- Check! Wir hatten wunderbares Wetter, und auch wenn es erwartungsgemäß nicht möglich war, Aitutaki zu toppen, hatte ich einen sehr schönen Schnorchel-Tag! Ich sah sogar einen Riffhai, Clownfische und einen Barrakuda!
Mit einigen netten Leuten aus dem Hostel unternahm ich auch mehrere Ausflüge mit dem Auto, und wir besichtigten Palm Cove, Port Douglas und die Daintree Region, einen uralten Regenwald mit schönen Stränden und dem Cape Tribulation. Cape Tribulation – zu Deutsch Kap der Trübsal- verdankt seinen Namen der Tatsache, dass Captain Cook seinerzeit eine ganze Weile hier fest saß, da sein Schiff bei seiner ersten Südseereise hier auf Grund lief und über Wochen repariert werden musste… Die schönen Strände liefen leider unter dem Motto „Kucken ist auch schön“, denn um diese Jahreszeit werden sie heimgesucht von einer höchst lästigen Plage: giftige Quallen! Gleich mehrere, potenziell saugefährliche Sorten suchen die Küstengewässer ab Anfang November auf, um sie mit ihrem Nachwuchs zu verseuchen… Überdies gibt es selbstverständlich auch Krokodile…ähm ja.
An einem ausgesprochen hübsch anzusehenden Strand fanden wir eine Schaukel in den Palmen, mit der wir viel Spaß hatten, wie folgende Bilder belegen:
Ein andermal mieteten wir uns mit sieben Leuten einen Van und fuhren in die Atherton Tablelands. Hier machten wir Jagd auf Wasserfälle und andere Naturschönheiten – das Highlight waren definitiv die Josephine Falls, wo wir eine „Natural Waterslide“ runterrutschen konnten und einen Cliff-Jump in den Wasserfall-Pool machten! Richtig Cool! Auch an dem Wasserfall aus der „Herbal Essences“ Werbung kamen wir vorbei, der ohne extatisch-duschende Schönheiten jedoch etwas abfiel gegenüber den vorher gesehenen.
Insgesamt kam ich die ersten Tage dann doch zu weniger Organisation als erwartet, schließlich wurden die Abende auch gerne mal zum Feiern genutzt. Nach über einer Woche Cairns wurde ich dann doch ziemlich rappelig und schaffte endlich mal den Absprung- mit dem Greyhound Hop on- hop off Bus ging es gen Süden- nach
Mission Beach
Hier hatte ich ein Hostel etwas außerhalb, dafür allerdings auf einem Hügel mitten im Regenwald gebucht. Das war total entspannt und schön, und abends konnte man manchmal kleine Wallabies- so eine Art Miniatur Känguru – über den Rasen hüpfen sehen. Das Hostel war nicht so riesig und die Leute waren entspannt und nett und eines Abends legten wir sogar eine richtig coole Jamsession mit zwei Gitarren und kollektivem Gesang hin!
Die Hauptattraktion in Mission Beach ist der Skydive. Da ich den ja in Hawai’i früher schon mal gemacht habe, und überdies mit dem lädierten Fuß Bedenken wegen der Landung hatte, verlegte ich mich auf die andere populäre Aktivität: Wildwasser-Rafting! Das war eine richtig gute Tour und wir hatten eine Menge Spaß! Da es ziemlich warm war, kam eine gelegentliche Abkühlung sehr gelegen und es gab immer wieder Gelegenheit, mal einfach durchs Wasser zu treiben oder auch mal von einem Felsen zu springen.
Magnetic Island
Der nächste Halt auf dem Weg nach Süden war Magnetic Island, benannt nach einer Kompassfehlfunktion wiederum durch: Captain Cook. Die Insel liegt auf der Höhe der Stadt Townsville und ist von recht überschaubarer Größe. Es gibt einen Bus, ansonsten kann man sich Autos mieten- entweder allradgetriebene Geländewagen oder ein „Barbie Car“. Letztere sehen tatsächlich aus wie zu groß ausgefallene Puppenautos und sind irgendwo selbst auch eine Attraktion hier auf Magnetic Island. Ansonsten hatte die Insel aber auch einiges zu bieten! Sehr schöne Landschaft, tolle Strände (schwimmen freilich nur wenn’s ein Quallengitter gab) und vor allem: Koalas! Auf dem „Forts Walk“, der einen vorbei an alten Militärruinen führt, kann man sie in den Bäumen erspähen, was gar nicht mal so leicht ist, denn die putzigen Tierchen sind doch relativ gut getarnt. Meist fiel ihre Anwesenheit dadurch auf, dass bereits einige andere Touristen stehengeblieben waren und fleißig fotografierten. Auch mir gelangen einige tolle Aufnahmen:
Mit drei Mädels, die ich noch aus dem Hostel in Mission Beach kannte, hatte ich mir für einen Tag ein 4WD gemietet und so konnten wir auch die entlegeneren Winkel der Insel erkunden und den Sonnenuntergang konventionsgemäß am Sunset Point beobachten. Außerdem gab es einen Ort an dem man die Rock- Wallabies füttern konnte, was auch ziemlich goldig war.
In unserem Hostel lernte ich auch Carina aus Hamburg kennen, die ebenfalls die Küste runter reiste, und die ich trotz asynchronen An- und Abreisen noch mehrfach wieder treffen sollte. Da wir bei einer Tour über die Insel einmal den Bus verpassten, trampten wir zurück zum Hostel und hatten so doch die Gelegenheit, auch mal mit einem Barbie Car mitzufahren…
Airlie Beach
Der nächste Halt war Airlie Beach, Gateway zu den Whitsundays. Bei diesem Wort klingeln jedem Backpacker die Ohren, ist das Segeltörn durch die Whitsunday Islands doch eine jener Activities, ohne die einem die Ausreise aus Australien womöglich verweigert wird… „ Sorry Sir, aber ohne Whitsundays kann ich sie hier nicht durchlassen…!“ Ihr Ruf eilt ihnen voraus, die Erwartungen sind ebenso hoch wie die Preise der Tour. Ich hatte in zäher Verhandlung mit dem smarten englischen Backpacker bei „Peterpans“ („… das geht nicht!! So viel Rabatt würde ich nicht mal meiner Freundin geben können…!“) die „3 days- 2 nights tour“ auf dem Schiff „Wings 3“ gebucht, wobei der Vollständigkeit halber angemerkt werden sollte, dass die Netto-Reisezeit von Auslaufen bis Wiedereintreffen im Hafen von Airlie Beach weniger als 48 Stunden betrug… aber wir wollen mal nicht so kleinlich sein!
Das Schiff war ein Katamaran und gut ausgestattet, allerdings war das Wetter leider ziemlich durchwachsen. Häufiger regnete es auch mal, und beim Schnorcheln war es insgesamt eher frisch und die Sicht war bei unruhigem Wasser und Regen leider auch nicht berauschend, obwohl es prinzipiell einiges zu sehen gab. Abends wurden am Schiffsheck blaue Unterwasser-Scheinwerfer eingeschaltet, was Beute für eine Menge Fische anlockte, so dass bald einiges los war im Wasser. Das wiederum lockte auch Giant Trevalys an, die in beeindruckender Zahl Jagd auf die kleineren Fische machten.
Höhepunkt einer jeden Whitsundays Tour ist der Besuch des Whitehaven Beach, eines riesigen Strandes mit makellos weißem Sand und einem Inlett bis weit ins Landesinnere. Leider war auch hier das Wetter nicht optimal, und auf dem Lookout zog erst mal ein Regenschauer durch. Später klarte es jedoch noch auf, und der Strand konnte sich noch in seiner ganzen Pracht präsentieren. Leider war an schwimmen ohne Stingersuit nicht zu denken- schon irgendwie idiotisch angesichts der Tatsache, dass man am angeblich schönsten Strand der Welt war…
Im Inselinneren lief ich überraschend Carina in die Arme, die mit einem anderen Boot unterwegs war, und nun ebenfalls den Whitehaven Beach besuchte.
Zurück in Airlie Beach widmeten wir uns dann noch ein-zwei Tage der Hauptattraktion: der örtlichen „Lagune“, bevor Carina einen Tag vor mir zu unser beider nächstem Ziel weiter fuhr:
Agnes Water / 1770
Wie bereits angedeutet, hatte man zu Captain Cooks Zeiten offenbar einen Sinn für pragmatische Namensgebungen- man erinnere sich nur an Cape Tribulation oder Magnetic Island. Daher überrascht es nicht, dass der Flecken Erde, an dem der große Entdecker im Jahre 1770 zum zweiten Mal den Boden Australiens betrat, schlichtweg 1770 getauft wurde. 1770 liegt idyllisch auf einer kleinen Landzunge und ist eigentlich nur eine Ansammlung von ein paar Häusern- der Ort in dem sich die Hostels befinden und der Greyhound hält nennt sich Agnes Water. Und auch hier gibt es bei näherer Betrachtung kaum etwas. Highlight war ein ausgesprochen günstiger Surfkurs und ein Känguru Sanctuary. Letzteres habe ich besichtigt. Man konnte die Tiere füttern und streicheln, und ziemlich komische Fotos mit ihnen machen. Ansonsten unternahm ich mit ein paar netten Leuten aus dem Hostel noch eine Radtour raus auf die Landzunge und zum eigentlichen Ort der Landung Captain Cooks. Im Hostel machte ich Bekanntschaft mit einem deutschen Backpacker-Pärchen, die mir eine Geschichte erzählten, die mein Bild von „Work and Travel in Australien“ komplettieren sollte. Wie gesagt hatte ich im Vorfeld beinahe Mitleid mit den Aussies, da nach allem was man so hörte ganze Landstriche von Scharen deutscher Backpacker heimgesucht werden, doch man muss neidlos anerkennen: die Australier wissen dies durchaus zu nutzen. Ein möglicher Job, den man machen kann (und für ein „Second Year Visa“ sogar machen muss) ist Farmwork- Arbeit auf einer Farm. Das kann eine Rinderfarm sein oder eine Bananenplantage, meistens ist die Arbeit hart und in den seltensten Fällen gut bezahlt. Scheinbar ist sogar oft das Gegenteil der Fall. Das deutsche Pärchen erzählte mir, sie hätten den Job auf einer Obstplantage genau einen Tag gemacht und dann hingeschmissen. Sie hätten zu zweit eine große Kiste mit Früchten füllen sollen, und nur wenn diese wirklich voll gewesen wäre, hätten sie 150 Dollar bekommen. Da dies aber anscheinend kaum zu schaffen war wurde entsprechend runter gerechnet, und sie verdienten zu zweit 80 Dollar an einem Tag. Anders als bei manchen Jobs wohl üblich, wurde ihnen weder Unterkunft noch Essen gestellt, so dass sie sich in einem Hostel einquartieren, und Geld für Lebensmittel ausgeben mussten. Man kann sich ausrechnen, dass da nicht viel übrig bleibt, was für den „Travel“ Teil des Aufenthalts verwendet werden könnte… So extrem ist es wohl nicht immer, aber oft machen die jungen Ausländer sehr anstrengende Jobs für ein Handgeld. Andere arbeiten zum Beispiel auf dem Bau, was eine der lukrativsten Optionen ist. Doch wie auch immer das Geld verdient wurde- es wird Australien nicht verlassen, dafür sorgen die eingangs erwähnten Reisebüros. Für die meisten wird der „Work and Travel“ Aufenthalt ein großartiges Erlebnis und ein Gewinn sein- für das Land Australien ist er das auf jeden Fall.
Rainbow Beach und Fraser Island
Als nächstes stand ein weiterer Fixpunkt einer jeden Ostküsten Tour auf dem Programm: Fraser Island. Diese 124 km lange Sandinsel ist in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes! Zum einen ist sie die größte ihrer Art, zum anderen der einzige Ort auf der Welt, auf der ein alter tropischer Regenwald auf Sand wächst. Im Inselinneren gibt es zahllose Süßwasserseen und viele Quellen und der breite Sandstrand, der sich entlang der Ostseite der Insel erstreckt, ist gleichzeitig auch ihr Highway und Flughafen für Kleinflugzeuge. Einer der Gateways auf die Insel ist Rainbow Beach. Hier war ich im „Dingo’s“ Hostel, das gleichzeitig Ausgangspunkt für die gleichnamige Tour nach Fraser ist. Mit „Dingo’s“ macht man eine 4 Wheel-Drive Tag-along Tour, will sagen: man sitzt nicht in einem Reisebus sondern ist zu jeweils acht Leuten auf insgesamt vier Allradfahrzeuge verteilt, die man auch selber fahren darf- nur das erste Auto in der Kolonne fährt immer der Guide.
Früh morgens ging es los. Der große Rucksack blieb im Hostel, nur ein leichtes Handgepäck durfte mit, außerdem war jeder bewaffnet mit seinem persönlichen Blechgeschirr – robust, dem Anlass angemessen, schließlich wurde gezeltet! Ebenfalls Bestandteil des Gepäcks waren große Mengen Alkohol, vorzugsweise in der preiswertesten Form: „Goon“, dem Getränk, mit dem wohl beinahe jeder Backpacker eine innige Hassliebe verbindet. Goon, das sind die schlechtesten Lagen und Jahrgänge der Südhalbkugel vereint in einem 5 Liter Pappkarton „Wein“. Es gibt unbestritten nichts billigeres, um sich budgetschonend wegzuschädeln, allerdings ist es halt auch einfach ein echt fieses Zeug. Da der erste Aspekt in der Backpackerszene deutlich mehr Gewicht hat, hat Goon seinen festen Platz an jedem gelungenen Partyabend- sei es beim „Goonpong“ oder Goonbagwerfen, wobei der eigentliche Plastiksack, der den Wein enthält eingeseift und im Kreis geworfen wird, und wer nicht richtig fängt muss trinken. Am Ende des Abends kann ein leerer Goonbag auch mit Luft wiederbefüllt werden, und seine zweite Bestimmung als „Goonpillow“ finden.
Fraser Island liegt nicht sehr weit vom Festland entfernt, und eine Autofähre brachte unsere 4WDs auf den Highway-Strand. Auf der Insel gab es ein, gegen die wilden Dingos (diesmal das Tier, nicht die Tour) eingezäuntes Camp, wo die Zelte bereits standen, und es mehrere Küchenbereiche für die verschiedenen Gruppen gab. Dies sollte für die nächsten drei Tage unser Basislager sein, zu dem wir allerdings erst jeweils zur Abenddämmerung zurückkehrten, denn wir hatten tagsüber volles Programm! Sandsteinklippen, Tidepools, Regenwald, Dünen, Flüsschen und Seen- es gab einiges zu entdecken! Absolutes Highlight war sicherlich der Lake McKenzie. Inmitten der Insel, umgeben von hügeligem Regenwald, lag dieser glasklare Süßwassersee, und er hatte einen feinen, schneeweißen Sandstrand. Wüsste man es nicht besser, würde man annehmen, man sei an einem Karibikstrand gelandet! Das Wasser war herrlich erfrischend und wir hätten locker den ganzen Tag bleiben können. Ein anderer toller Platz war ein kleiner Fluss, der aus dem Inland auf den Strand floss, und auf dessen letzten Windungen man sich entspannt auf einem Gummireif durch den Wald treiben lassen konnte. Das Bächlein war meist knietief und hatte ordentlich Strömung, und das Wasser war kühl und kristallklar. Tatsächlich war es durch den natürlichen Sandfilter des Inselbodens so sauber, dass man es bedenkenlos trinken konnte, daher füllten wir hier unsere Wasserkanister und Flaschen auf. Ein weiterer See, den wir besuchten, war bevölkert von den kleinen Fischen, die eine Vorliebe für abgestorbene Hautschuppen haben. Wenn man sich am sandigen Ufer regungslos ins Wasser setzte kamen sie von allen Seiten, und fingen an, an einem zu knabbern, was ein ziemlich ulkiges Gefühl war.
Im Unterschied zu anderen Touren, die mit einem geländegängigen Bus über die Insel donnerten, waren wir in unseren Autos unsere eigenen Fahrer und rotierten immer mal durch, damit jeder der wollte auch mal auf den Sandpisten oder dem Highway-Strand fahren konnte. Und das hat durchaus Spaß gemacht. Als ich dran war, mussten wir unter anderem ein ziemlich weiches Stück hügelaufwärts fahren- da brauchte es dann ein wenig Schwung, damit man nicht stecken blieb, und entsprechend johlend pflügten wir dann die Düne hinauf!
Die beiden Abende im Camp verliefen, wie man sich vorstellen kann, ziemlich feucht-fröhlich und wir hatten eine Menge Spaß. Abends mischt sich die Gruppe natürlich auch etwas durch, tagsüber jedoch verbringt man die meiste Zeit eben mit den gleichen acht Leuten, die am Anfang einem Auto zugeteilt werden. Mit meiner Truppe hatte ich da auf jeden Fall Glück, denn wir haben uns alle gut verstanden und sehr viel zusammen gelacht!
Am späten Nachmittag des dritten Tages ging es schließlich wieder zurück zum Hostel, wo wir den Abend mit einer After-Party ausklingen ließen.
Fraser Island war also eine absolut runde Sache, und für mich bis dahin das unbestrittene Highlight der gesamten Ostküste!
Doch die ging ja noch ein Stück weiter, und Fraser lag etwa in der Mitte meiner Tour, die mit dem Jahreswechsel in Sydney einen weiteren Höhepunkt erfahren sollte- doch davon beim nächsten Mal mehr.
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